Freitag, 19. Juni 2015

Eine Begegnung

Eine Begegnung- nicht nur mit einem Fremden- eine Begegnung auch mit mir selbst...

 

Eine Begegnung


Halte ich mich für einen toleranten, offenen Menschen?
Ja... eigentlich schon. Eigentlich? Ja, eigentlich- spätestens, wenn ich mich dabei ertappe, dass auch ich Vorurteile habe. Dass ich Menschen stigmatisiere, auch wenn es sich nur in meinen Gedanken abspielt.

So auch bei meiner letzten Begegnung auf dem Wiesenviertelfest. Eine Band spielt auf. Uns gegenüber ein Mann, blondes Haar, schon älter. Ein faszinierendes Gesicht, ein lebendiger Blick- ein tolles Fotomotiv. *Klick* One Shot- sieht gut aus.
Ich überlege, ob ich ihn ansprechen soll, ob ich das Bild veröffentlichen darf.

Und da ist er! Der Moment der Vorurteile. Er sieht nicht aus wie alle anderen- er ist ein echter Typ, aber was für einer? Ein Spinner? Ein Netter? Ein Freak? Ein Sympathischer? In meinem Kopfkino spielen sich plötzlich die unterschiedlichsten Szenarien ab. Warum? Weil er nicht in meine Vorstellung gepasst hat, weil er ganz einfach anders als alle Anderen war.

Ich zögere, überlege angestrengt- und springe über meinen Schatten. Trete dabei  auf meine Vorurteile und spreche ihn auf die Veröffentlichung an. Er erwidert, kein Problem, wenn es ein nettes Bild sei. Gezeigt, genickt, ick froi mir.

In einem sehr kurzen, anschließendem Dialog erfahren wir, dass er stramm auf die 80 Lenze zugeht und am liebsten Rock und Techno hört. Deshalb sei das Wiesenviertelfest für ihn bis jetzt musikalisch noch nicht so das Wahre, zu jazzig- aber OK. Alt werden sei so lala, aber Hauptsache, der Kopf macht mit- das ist am wichtigsten... Sprachs und verschwand in der Menge.

Ich war tief beeindruckt. Einerseits, weil ich tatsächlich den Mut hatte, ihn anzusprechen- trotz komischer Gedanken. Andererseits, weil ich nun die Wahrheit kannte und die war einfach genau das Gegenteil von Freak und Spinner. Meine Begleitung stimmte zu, auch zuvor von nicht unerheblichen Zweifeln beseelt und erwiderte nur "... das ist einfach ein echt cooler Typ!"

Es ist normal wenn wir Vorurteile haben. Aber jeder von uns kann sich ihnen stellen. Ich habe mich in dem Moment gefragt: "Warum habe ich gerade jetzt diese Gedanken?" Und dann war es plötzlich gar nicht mehr schwer. Vielleicht sollten wir alle ein wenig offener sein- offener für andere Menschen, ein anderes Aussehen, einen anderen Lebensstil, eine andere Kultur. Und wenn von 10 Begegnungen dann ein- zwei Negativ ausfallen, dann waren 80- 90% immer noch toll oder zumindest OK. Dafür lohnt es sich!

Danke Mr. X, für ein schönes Bild und eine besondere Begegnung, die Sie vielleicht gar nicht als so interessant wahrgenommen haben.

Sonntag, 14. Juni 2015

Wiesenviertelfest 2015

Es war mal wieder rundum schön!


5845X Witten

Das 4. Wittener Wiesenviertelfest brachte Leben in den Kiez.
Mit viel Musik, dem Tummelmarkt für Kreative, einer Food- Truck- Meile und natürlich der Präsentation der ansässigen Geschäfte präsentierte sich das Viertel in buntem Glanz.

Wegweiser zum Tummelmarkt


Vom Ambiente her immer ein wenig nostalgisch, gespickt mit einem Hauch Berlin, lockt die Veranstaltung immer mehr Menschen in die kleinen Seitenstraßen ihrer Stadt.

Liebevoll dekoriert


Auf dem Tummelmarkt fanden sich unter selbstgemachten Ölen, Likören und Sirups auch so spannende Dinge wie Schmuck und Spielzeug aus alten Skateboards. Daneben Künstler, die ihre Werke ausstellten. Manche Einfahrt wurde zur Bühne, liebevoll dekoriert mit ausrangierten Sofas und vielen Kissen.

Mit einem Hauch Nostalgie


Die Wittener Kultureinrichtungen, u.a. das "Maschinchen buntes" und die Wittener Werkstadt nebst Ladeninhabern boten ein abwechselungsreiches Bühnenprogramm: Swingend, hippiesk, jazzig, hier ein bisschen Ska und dort ein wenig Chanson- wahnsinnig bunt!!!


Das Bänd

In der Hammerstraße präsentierten sich zudem einige Einrichtungen mit einem umfangreichen Kinderprogramm. Die Blote- Vogel- Schule hatte einen
Reep- Schläger im Gepäck mit dem Seile hergestellt wurden und traditionell durfte die große Kistenrutsche auch nicht fehlen.


Barulheiros

Im :raum, Knut`s und Klimbim wurde fleißig ausgeschenkt, was an diesem zunächst schauergeprägtem und anschließend heißen Tag zumindest für eine Abkühlung trockener Kehlen gesorgt haben dürfte.


Marek Marple

Straßenkünstler sorgten in aufwändigen Maskierungen für zusätzliche Belebung, ebenso wie der Frisörsalon "Haarsträubend", der mit unglaublichen Kostümen und einem liebevollem Showprogramm zwischen den Food- Trucks für Unterhaltung sorgte.

Als die Sonne herauskam wurde es voll

Politisch machten in der Theodor- Heuss- Str. die Parteien kreativ auf sich aufmerksam. Während z. B. bei den Grünen "Seed Bombs" hergestellt werden konnten brachten die Piraten noch einmal Edward Snowden ins Gespräch.

Einganstor zum Tummelmarkt

Bei den Wittenern der 80er Jahre wird dem ein oder anderen plötzlich eine schwermütige, schöne Erinnerung an die Maitage oder "Witten total" im Kopf herum gespukt sein, ist es doch so lange her, dass die Stadt mit einem vergleichbaren Straßenfest aufwarten konnte.

Ein Fest aller Generationen, für jeden war etwas dabei und Dank der Besucherströme ist davon auszugehen, dass sich diese Veranstaltung hoffentlich oft wiederholen wird.


Chill out Zone

Weiterführende externe Links:
www.wiesenviertel.de

Mittwoch, 27. Mai 2015

Scharfe Unschärfen

Heute wenig Text und ein paar Bilder mit scharfen Unschärfen


Spätfrühling, Knospen sprießen, der Farn entrollt sich... der Beginn einer Wachstumsperiode- ein entspannendes, ausgesprochen meditatives Shooting ;)


Gras

Gräser
Lavendelblüte
Junger Farn
Farn, kurz vor dem "entrollen"

Montag, 25. Mai 2015

Mystische Spinnweben Teil 2

Spinnweben sind faszinierend, so kleine Wesen und so große, dicht versponnene Netze. 

Daher folgt jetzt der 2. Teil
(Teil 1 ist hier zu finden: "Mystische Spinnweben")




Samstag, 23. Mai 2015

Liebe Kritiker des Erzieher- Streiks...

... oder warum ich mich gerade im unbefristeten Vollstreik befinde.


Ich bin eine von den Erziehern/ Erzieherinnen, die gerade "ihre" Kinder im Stich lässt, die auf Kosten der Eltern mehr Anerkennung und Gehalt fordert und die einen absolut egoistischen Arbeitskampf in einem sozialen Bereich mit bestreitet.

Trotz allem, was folgt:

Das ist mein täglicher Job und ich mache ihn gerne- nur ist irgendwo auch mal Schluß!


Ganz kurz ein sehr wichtiger Zeitpunkt in der jüngeren Entwicklung:

Quelle Wikipedia: "Seit 1996 gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) auf einen (halbtägigen) Kindergartenplatz (BVerfG im Urteil zum § 218 StGB, siehe auch § 24 SGB VIII) für Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zur Einschulung."

Ungefähr seit dieser Zeit, also seit nicht einmal 20 Jahren, hat sich die Kinderbetreuung hier dramatisch verändert. Ungefähr in dieser Zeit habe ich auch meine Ausbildung beendet.
Während meines Anerkennungsjahres gab es tatsächlich noch den klassischen Kindergarten von 8.00- 12.00 Uhr und- falls gewünscht, von 14.00- 16.00 Uhr. Das Angebot in "meiner" KiTa war sehr modern und geradezu innovativ: Es gab 25 Hortplätze, 15 Plätze in der "kleinen altersgemischten Gruppe", 20 Kindertagesstättenplätze und 25 Kindergartenplätze, Standort: Innenstadt, Betreuung vom Alter ab 6 Monate bis zur Vollendung der Grundschule.

Der Personalschlüssel war OK (es könnte immer besser sein), gesamt für 85 Kinder, ungefähre Öffnungszeiten von 7.00- 16.30 Uhr:
  • 2 VollzeiterzieherInnen im Hort
  • 2 Vollzeitkräfte in der KiTa- Gruppe, mind. 1 ErzieherIn
  • 2 Vollzeitkräfte in der KiGa- Gruppe, mind. 1 ErzieherIn
  • 3 Vollzeitkräfte in der kleinen altersgemischten Gruppe, mind. 1 ErzieherIn
  • 1 freigestellte Leitung und (unglaublich, aber wahr)
  • 1 zusätzliche pädagogische Fachkraft, beide ebenfalls Vollzeit (Vollzeitstellen konnten sich auch in Teilzeitstellen umrechnen lassen, z. B. 2 Teilzeitkräfte teilen sich eine Vollzeitstelle).

Um 2005 wurde dann die OGS eingeführt, der "offene Ganztag", das, was früher einmal die Horte waren. Nur nicht mehr mit 2 VollzeiterzieherInnen. Auch nicht mehr mit 25 Kindern. Sachstand heute: Auf ca. 80- 100 Kinder im offenen Ganztag kommen 6-7 Teilzeitkräfte (nicht zwingend Erzieher, nicht zwingend pädagogische Ausbildung).

Aus der kleinen altersgemischten Gruppe wurde die U3- Betreuung, aus 15 Kindern im Alter von 6 Monaten bis 6 Jahren wurden 11 Kinder unter drei Jahren, der Personalschlüssel ist vergleichbar.

Die Zahl der Kindergartenplätze (8.00- 12.00 Uhr und evntl. 14.00- 16.00 Uhr) schrumpft weiterhin, die Ganztagsbetreuung nimmt nach wie vor zu.

Seit 1996 kamen zusätzlich zu den veränderten Grundbedingungen folgende Tätigkeiten schleichend nach und nach zum "normalen" Aufgabenfeld hinzu bzw. wurden aufgrund der Bedarfe eingeführt:
  • Gesetzesänderung der Vor- und Nachbereitungszeiten (wurde verallgemeinert, d.h. in der Praxis wurden diese massiv reduziert)
  • Die Vorschulerziehung wurde "leistungsorientierter", Bildung rückte mehr und mehr in den Vordergrund
  • Integration, 
  • Inklusion, 
  • Qualitätsentwicklung, 
  • KiTa als Bildungseinrichtung, 
  • Prävention, 
  • Dokumentation, 
  • Vernetzung... das alles sind Begriffe, die für die ErzieherInnnen mittlerweile zum Alltag gehören. 

Ich selbst habe 2007 in die OGS gewechselt und meine Arbeitszeit unter anderem auch aus gesundheitlichen Gründen freiwillig reduziert. Acht Stunden "reine Arbeit am Kind", einmal pro Woche zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit? Da hat mir mein gesunder Menschenverstand schon signalisiert, dass das nicht gesund sein kann. Das war meine Konsequenz- und ich verstehe bis heute nicht, wie die Kollegen und Kolleginnen in den KiTas glücklich arbeiten können.  Ich kann von dem Geld leben- aber ich muss überlegen, was ich mir leisten kann und was nicht. Die Einkommenseinbußen aufgrund der Teilzeit sind es mir Wert, nur so mache ich meine Arbeit wirklich gerne!

Ich streike in erster Linie, weil wir nur noch wie ein wirtschaftliches Unternehmen behandelt werden, weil die Erziehung der Kinder immer mehr aus dem Elternhaus in unsere Verantwortung gelegt wird und weil es Menschen gibt, die tatsächlich feststellen, dass diese Anforderungen gar nicht so erfüllt werden können. Wir arbeiten mit Kindern, die ebenso dem Lärm und der Reizüberflutung ausgesetzt sind, wie wir. Und die Kinder kommen von einem lauten, leistungsorientiertem System ins nächste, U3- KiTa- Schule- Ausbildung/ Studium- Job (wenn alles "gut" geht). Die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zeigt heute die ersten Symptome einer Gesellschaft, die die Ganztagsbetreuung nicht zugunsten unserer Kinder löst. "Burn out", sprich eine Form der Depression, betrifft nicht nur Erzieher! Es betrifft mehr und mehr Kinder und Jugendliche, die sich in den Systemen nicht mehr zurecht finden, die überfordert sind durch Leistungsdruck.

Inklusion heißt: "Alle gemeinsam, die Struktur passt sich den individuellen Bedürfnissen an" (siehe auch bei wikipedia: "Inklusive Pädagogik")
Super Ansatz- wirklich und ganz ohne Ironie. Leider dient dieser Ansatz zur Zeit eher einer Sparpolitik, die dazu führt, dass ein echtes inklusives Arbeiten gar nicht möglich ist.

Aber ich bin immer gut gelaunt, habe für jeden ein freundliches Wort, bin professionell, aber auch lustig, stehe hinter einer erzwungenen Inklusion, die mit aktueller Gesetzgebung im absoluten Widerspruch steht, lehre Sprache, emotionale und soziale Kompetenz, spiele, singe, koche, arbeite einrichtungsübergreifend mit dem Jugendamt, mit Psychologen, muss Streit zwischen Kindern UND Erwachsenen schlichten und vergebe sogar unter gewissen Umständen pünktlich die ADHS- Pille... am Besten noch ne Schleife beibringen und den Schulweg üben- sorry, aber die Verschiebung des Elternhauses in öffentliche Einrichtungen unter den gleichen und teilweise auch schlechteren Voraussetzungen wie vor 20 Jahren kann nur scheitern. 


Und für alle die sagen "Augen auf bei der Berufswahl": 


Dann gäbe es vermutlich 80% weniger Personal in allen sozialen Bereichen. Mal drüber nachdenken... 

 

Liebe Kritiker des Erzieher- Streikes: Welche Alternativen haben wir denn, ohne das Streikrecht zu nutzen? 

  • Soll sich das Lohnniveau und die personelle Ausstattung einer Einrichtung von Menschen für Menschen immer am niedrigsten Einkommen orientieren? 
  • Ist das die Wertschätzung, die Sie Ihren Kindern und unserer Zukunft entgegen bringen?
  • Ist das gleichzeitig die Wertschätzung, die Sie im Alter erfahren möchten, wenn Sie auf einer Pflegestation leben müssen?
  • Oder Sie erleiden durch einen Unfall eine Behinderung und sind auf Pflege angewiesen: Möchten Sie dann versorgt werden, oder möchten Sie, dass sich um Sie gekümmert wird?
  • Warum muss man sich in diesem Land immer rechtfertigen, wenn man in seinem gelernten Beruf mehr verdient, als einem bei Hartz 4 zusteht?

 

Ich streike nicht nur für mehr Geld, ich streike auch für einen sozialeren, menschlicheren Umgang für alle Menschen mit einer echten Wertschätzung, wie im kleinen so im großen! 


Weiterführende externe Links:
Grundlagenerlass Gebundene und offene Ganztagsschulen sowie außerunterrichtliche Ganztags- und Betreuungsangebote in Primarbereich und Sekundarstufe (pdf)
Link zum Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW: KiBiz (Kinderbildungsgesetz)